Im historischen Tante-Emma-Laden in Neuenkruge bedient Ursula Ecker seit 60 Jahren ihre Kunden persönlich. Ein kurzer Schnack ist immer dabei.
Immer eine Reise wert ist das Ammerland. Nicht nur im Frühling und Sommer, auch im Herbst und Winter ist die Landschaft, unweit der Grenze zu Ostfriesland, mit ihren Baumschulen einmalig. Insbesondere Radfahrer finden hier ein Paradies. Touren führen durch wunderschöne Natur und die Weite Norddeutschlands und bieten überall idyllische Fleckchen zum Ausruhen und Verweilen sowie Sehenswertes.
Begibt man sich auf eine der vorgeschlagenen Fahrradrouten, kommt man irgendwann in Neuenkruge vorbei. Neuenkruge gehört mit seinen 372 Einwohnern zur Gemeinde Wiefelstede. Dieser kleine hübsche Ort verfügt über das eine oder andere touristische Highlight. Für Abkühlung der ganzen Familie sorgt im Sommer zum Beispiel das Freibad Neuenkruge, wo Groß und Klein an heißen Tagen in familiärer Atmosphäre entspannen und Spaß haben können. Auch das Schwarzbrot der Bäckerei Bremer, die seit rund 120 Jahren in Neuenkruge ansässig ist, ist eine bekannte Spezialität über die Ortsgrenze hinaus. Und last but not least gilt der historische Tante-Emma-Laden als ein Geheimtipp der Ammerländer Touristinformation.
Historisch gewachsen
Wer nun an ein Museum denkt, liegt falsch. Der schlichte Backsteinbau aus dem Jahr 1907 im Alten Postweg 18 beherbergt bis heute einen kleinen Kaufmannsladen, wie man ihn von früher kennt. Ursula Ecker steht hier seit 60 Jahren hinter der Theke. Das Haus hat weiße, unterteilte Fenster mit Fensterläden aus Holz, die genauso dunkelgrün sind wie die doppelflügelige Eingangstür. Ein Anblick, der charakteristisch für die Gegend ist und eine gewisse Ruhe und Gemütlichkeit ausstrahlt. Dem genauen Betrachter fällt auf, dass im Oberlicht „Oltmer-Lueken – Handlung“ geschrieben steht. Auf den ersten Blick erscheint das Gebäude unauffällig. Nur das aufgestellte Schild vor dem Eingang weist auf den historischen Tante-Emma-Laden hin. Doch wer genau hinschaut, der erhascht durch die Fenster einen Blick auf das liebevoll dekorierte Warenangebot.

Betritt man den kleinen Laden, fühlt man sich in seine Kindheit zurückversetzt: Regale bis fast unter die Decke, ein langer Tresen und eine schöne, alte Waage wie man sie aus früheren Kaufmannsläden kennt. An den Wänden hängen die ersten Werbeplakate von Dr. Oetker und Thiele Tee, so wie es sie heute noch als Dekotafeln zu kaufen gibt, hier im Original. Auf dem linken Teil des Tresens hat Ursula Ecker einen Bereich mit ganz verschiedenen Dingen gestaltet. Von der ostfriesischen Teekanne und dem typischen Porzellan mit dem blauen Ostfriesenmuster befinden sich dort auch Gläser, Vasen, Kommissionsbücher, Naschereien und Postkarten. „Bei uns bekommen Sie alles, was sie brauchen – von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs über kleine Geschenke, regionale Spezialitäten und Geschirrtücher bis zum Spül- und Waschmittel“, sagt die Inhaberin, die eine persönliche Beziehung zu ihren Kunden pflegt und den Dienstleistungsgedanken ihres kleinen Einzelhandelsgeschäfts unterstreicht. Beides unterscheidet sie von anonymen Discountern und großen Kaufhäusern mit Selbstbedienung.

Ihrer Zeit voraus
Unverpacktläden sind heute im Zeichen des Klimaschutzes auf dem Vormarsch. „Wir bieten schon seit jeher Lebensmittel wie Bohnen, Erbsen, Milchreis und verschiedene Sorten Nudeln unverpackt an“, erklärt Ursula Ecker weiter.

Aber auch Süßigkeiten hat die Neuenkrugerin lose im Angebot. Wer erinnert sich nicht daran, wie stolz man als Kind war, wenn man mit ein paar Groschen in der Tasche loszog, um sich nach der Schule eine kleine Süßigkeitentüte zu kaufen. Einzeln konnte man Gummibärchen, Lakritzschnecken, Marshmallows und vieles mehr bestellen – ganz nach dem eigenen Geschmack und dem Budget. „Auch heute machen Kinder das noch gerne und kommen nach der Schule bei mir vorbei, um sich genau solch eine Tüte zu holen“, erzählt Ursula Ecker lachend, die dabei auf ihre besonders leckeren Himbeer- und Sahnebonbons verweist. Wenn die Kinder dann mit glänzenden Augen freudig den Laden verlassen, geht auch ihr regelmäßig das Herz auf.
Breites Sortiment
Neben Waren wie Nuss-Nougat-Creme, Mais, Tomatenmark, Pudding, Reis, Zucker und Salz oder Streichkäse und Quark, die jeder Supermarkt im Regal stehen hat, legt Ursula Ecker Wert auf regionale Produkte und Spezialitäten. „Jetzt im Herbst treffen gerade die neuen Liköre ein“, berichtet sie. Der sogenannte Neuenkruger Tropfen, ein Schlehen-, Quitten-, Kirsch- oder Kräuterlikör, wird sogar extra für den Tante-Emma-Laden entsprechend etikettiert. „Beginnen sich die Blätter bunt zu färben, warten die Neuenkruger bereits darauf“, sagt sie augenzwinkernd.

Ebenfalls treffen in diesen Wochen die neuen Weine vom Weingut Marx aus Windesheim an der Nahe ein. Nicht ganz regional, aber der Weinanbau bleibt doch noch weitestgehend dem Süden Deutschlands vorbehalten. Für süße Schleckermäuler hält Ursula Ecker neben dem allseits beliebten und bekannten Zuckerzwieback der Bäckerei Bohne aus Kayhausen, die gleich ein paar Ortschaften weiter ansässig ist, auch deren köstliche, knusprige Kekse bereit. Eine genauso gern gekaufte Spezialität ist der Honig der Ofener Grundschule, die auch nur wenige Kilometer entfernt ist. „Die Kinder haben dort eigene Bienenvölker“, berichtet Ursula Ecker. Eingeschweißte Wurstwaren sowie Wurst im Glas von der Landschlachterei Meyerjürgens in Bad Zwischenahn runden ihr regionales Angebot ab.
„Der Kontakt zu den Menschen ist einfach schön. Man führt nette Gespräche und lernt viele Leute aus ganz Deutschland kennen.“
Wer bei Ursula Ecker im historischen Tante-Emma-Laden einkauft, wird persönlich bedient. Ein kleiner Schnack gehört immer dazu, das macht jeden Einkauf zu einem Erlebnis. „Der Kontakt zu den Menschen ist einfach schön. Man führt nette Gespräche und lernt viele Leute aus ganz Deutschland kennen“, betont Ursula Ecker. Zu ihren Kunden zählen zu gleichen Teilen Neuenkruger, Kunden aus der Umgebung und Touristen. Radler, die bei ihr einen Stopp einlegen, lädt die 79-Jährige zum Verweilen in Omas Stube oder bei gutem Wetter im Garten bei einer Tasse Kaffee und einem Stück von Omas Apfelkuchen mit Streuseln ein. Sind die Fahrrad- bzw. Einkaufstaschen dann gefüllt, geht es an die Abrechnung. Aber wer glaubt im Tante-Emma-Laden eine moderne Kasse zu finden, der täuscht sich. „Ich habe Bleistift und Papier“, lacht sie. „Ich besitze keine Rechenmaschine und auch keinen Scanner. Gerechnet wird im Kopf.“
Wie alles begann
1910 hat Familie Müller einen Kaufmannsladen in einer Holzhütte im Garten des Alten Postwegs 18 gegründet. Zehn Jahre später zog die Familie aus Neuenkruge weg und verkaufte 1920 den Laden samt Grundstück an Ursula Eckers Großeltern Johanne und Friedrich Oltmer. „Das war vor 102 Jahren. Seitdem ist der Tante-Emma-Laden in unserem Familienbesitz“, erzählt sie. Als ihr Großvater 1944 verstarb, führten ihre Großmutter und ihre Mutter Frieda Lueken, geborene Oltmer, den Laden weiter und brachten ihn durch die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahre. „Während meine Mutter den Postbetrieb innehatte, stand meine Oma im Laden“, erinnert sich die heutige Inhaberin des Familienbetriebs, die 1943 geboren wurde. Sie wuchs im Laden auf und stand bereits als kleines Mädchen mit hinter der Ladentheke. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich den Laden irgendwann übernehmen werde“, erklärt sie weiter. Mit diesem Ziel vor Augen, startete die junge Neuenkrugerin 1958 eine Ausbildung zur Textilverkäuferin in Oldenburg. „Eigentlich wollte ich damals noch etwas Erfahrung sammeln, bevor ich zurückging. Aber als 1962 meine Oma starb, kehrte ich, schneller als gedacht, zurück, um meine Mutter im Geschäft zu unterstützen“, erinnert sich Ursula Ecker weiter. 1966 heiratete sie ihren Mann Wilfried. Nachdem ihre Mutter 1989 starb, führte Ursula Ecker zunächst den Laden gemeinsam mit ihrem Vater Wilhelm Lueken weiter. Nach seinem Tod 2006 übernahmen dann Ursula und Wilfried Ecker den traditionsreichen Familienbetrieb. Bis heute schmeißen Sie den Tante-Emma-Laden nun gemeinsam – wenn ihr Mann auch gerne mehr im Hintergrund agiert.

Eine Powerfrau auf ganzer Linie
Ursula Ecker stemmt Laden, Haushalt und Garten gleichzeitig. Das hat sie schon immer so gemacht. Als ihre Tochter klein war, war auch diese stets mit von der Partie. Kunden bedienen, Kindererziehung und Haushalt organisieren, war für Ursula Ecker nie ein Problem. Sie kannte es nicht anders. „Wir haben alles unter einem Dach. Wenn kein Kunde im Laden war, konnte ich mich hinten im Haus um andere Dinge kümmern“, blickt sie zurück. Kochen, putzen, waschen gehörten genauso dazu wie Buchhaltung, Bestellungen und Waren auspacken. „Es gab und gibt immer etwas zu tun“, sagt sie. „Das ist heute auch nicht anders.“ Obwohl ihre Tochter und Enkeltochter im Hinterhaus auf dem Grundstück leben, gehen diese beiden doch beruflich ihrer eigenen Wege. Für Ursula Ecker ist jedoch ein Leben ohne Geschäft kaum denkbar. Sie steht weiterhin jeden Tag für ihre langjährigen, treuen Kunden sowie alle Touristen hinter dem Tresen und freut sich auf noch viele anregende Gespräche. Ihr Alter spielt für sie keine Rolle. Solange sie gesund bleibt, macht Ursula Ecker weiter. „Denn was wäre ich ohne meinen Tante-Emma-Laden?“
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